Liebe Friede Springer, liebe Margot Friedländer, liebe Niddal, liebe Nominierte, Jury und Gäste,
Ich bin sehr froh, dass wir heute Abend hier sind. Es ist mir wirklich wichtig, das zu betonen. Denn dies ist der eine Abend im Jahr, an dem ich mit Sicherheit sagen kann, dass wir, wenn wir heute Abend nach Hause gehen, wieder verstehen werden, warum wir den Beruf der Journalisten gewählt haben – oder zumindest, für alle anderen im Saal, warum wir so gerne Zeit mit Ihnen verbringen.
Ich blicke auch gespannt in die Zukunft, was zurzeit ja gar nicht so einfach ist. Als wir vor einem Jahr hier standen, zeichneten wir mit dem George Weidenfeld Preis eine junge, ukrainische Journalistin aus. Eine beeindruckende, mutige Frau, die über Nacht von der Wirtschaftsjournalistin zur Kriegsreporterin wurde.
Was wir damals nicht ahnten, war, dass sich die Welt innerhalb eines Jahres noch viel mehr verändern würde. Leider ist sie nicht friedlicher geworden.
Die kurze Geschichte, die ich Ihnen jetzt erzähle, habe ich bereits am 27. Januar einem kleinen Kreis von Journalisten hier im Haus erzählt. Damals wusste ich noch nicht, wie sie enden würde.
Am 6. Oktober saß ich mit meiner kleinen Schwester, ihrem israelischen Ehemann, meiner einjährigen Nichte und meinem dreijährigen Neffen hier im Axel Springer Neubau und sie erzählten mir ihre Zukunftspläne für Berlin. Sie planten ihre Restaurant-Eröffnung und den Umzug von Neukölln nach Wilmersdorf. In der darauffolgenden Nacht griff die Hamas Israel an.
Was unvorstellbar schien, wurde für meine Schwester und ihren Ehemann in den folgenden Wochen schnell Realität. Neben Mitgefühl für ihre betroffenen Freunde und Familie erlebten sie in unserem Land immer mehr Hass.
Was sie nun hörten, wenn sie die Fenster ihrer Wohnung in Neukölln öffneten, waren die Schreie aggressiver Menschen in der Ferne, die auf Demonstrationen, gestützt durch unsere Demokratie, ihnen und ihren Kindern den Tod wünschten. Die Folge: Mein Neffe spricht nicht mehr Hebräisch, wenn er draußen spielt.
Vor wenigen Tagen entdeckte meine Schwester, die aufgrund unserer Familiengeschichte vor Jahren nach Israel ausgewandert und konvertiert war, das Wort „Gaza-Kammer“ an ihrer Neuköllner Hauswand. Mehrfach aufgesprüht mit einer Schablone.
Nächste Woche zieht sie mit ihrer Familie nach Israel zurück, in ein Land, das im Krieg ist. Ihr Mann sagt: „Dort verstehe ich wenigstens, wer unsere Feinde sind.“
Seit dem 7. Oktober gab es zehntausende Todesopfer auf beiden Seiten. Was ich nicht begreife, ist, wie Ideologie und Hass selbst in Deutschland stärker werden konnten als Empathie und Mitgefühl.
Liebe Margot Friedländer, Sie sagen jedem unserer Journalistenschülerinnen und Schülern bei ihren Vorträgen immer wieder die Worte: „Bleibt Mensch!“ Ich habe die Bedeutung dieser Worte im letzten halben Jahr erst richtig verstanden. Sie wussten, wozu Menschen leider fähig sind.
Heute Abend zeichnen wir einen jungen Journalisten aus, der vom ersten Tag an immer dort ist, wo unsere Welt aus den Fugen gerät. Er berichtete aus Israel und Gaza. Er zeigt uns, wie wichtig die Berichterstattung und die Einordnung vor Ort sind.
Ich freue mich aber auch, oder vielleicht gerade deshalb ganz besonders, über die Vielfalt der nominierten Beiträge, die wir heute sehen werden. Denn sie zeigen, dass Relevanz auch unterhalten kann, dass die vielen verschiedenen Plattformen dem Journalismus guttun, dass er konstruktiv sein kann und auch mal Spaß machen darf, damit wir die Welt überhaupt noch ertragen. Und wir uns nicht endgültig von den Nachrichten abwenden.
Journalisten agieren im Namen von Demokratie und Freiheit. Mit dieser Freiheit habt ihr alle die Chance, den Journalismus in eine spannende Zukunft zu führen. Und wir haben die Freiheit zu entscheiden, wie wir mit künstlicher Intelligenz diese Zukunft mitgestalten.
Auch das haben die jungen Journalistinnen und Journalisten erkannt, die hier nominiert sind. Wir feiern sie heute Abend, auch im Namen aller Kollegen der Axel Springer Academy auf „Journalisten and Technology“. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend.